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Melde- oder Bewilligungspflicht bei Änderung von Tatsachen

Dr. Fabian Schmid
Von:
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Hunderte von unabhängigen Vermögensverwaltern haben kürzlich eine Lizenz der FINMA erhalten oder werden diese demnächst erhalten. Eine der wichtigsten damit verbundenen Neuerungen besteht darin, dass diese Institute umfassende Melde- oder Bewilligungspflichten einhalten müssen, bevor wichtige unternehmerische Entscheide wie die Neubesetzung des Verwaltungsrates oder der Geschäftsleitung, die Änderung der Organisation oder die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung umgesetzt werden können. Erste Erfahrungen zeigen, dass mit den neuen Pflichten zahlreiche Herausforderungen verbunden sind. Im nachfolgenden Artikel werden die wichtigsten Elemente der Melde- und Bewilligungspflicht sowie Knackpunkte zur Umsetzung in der Praxis aufgezeigt.
Inhalt

Einordnung der Neuerungen1

tabelle einordnung

1Es handelt sich um eine stark vereinfachte Darstellung, welche eine rasche erste Einordnung der Thematik ermöglichen soll. Jedes Institut sollte die Relevanz und den konkreten Handlungsbedarf individuell-konkret bestimmen.

 

Grundlagen

Die Bewilligungsvoraussetzungen sind dauernd einzuhalten. Für Vermögensverwalter resultiert daraus die Pflicht, bei Änderungen von Tatsachen, welche der Bewilligung zugrunde liegen, die Aufsichtsorganisation (AO) zu informieren (Art. 22 FINIV). Das FINIG unterscheidet in Art. 8 zwischen einer Meldepflicht einerseits und einer Bewilligungspflicht andererseits.

Übersicht bewilligungspflichtige Änderungen (FINMA und AO)

Ist die Änderung von wesentlicher Bedeutung, sieht Art. 8 Abs. 2 FINIG nicht bloss eine Meldepflicht an die AO, sondern eine Pflicht zur Bewilligung durch die FINMA vor. Die FINMA hört im Rahmen ihrer Beurteilung die AO an. Bewilligungspflichtige Änderungen sind all jene Änderungen, welche gemäss Art. 8 Abs. 2 FINIG und Art. 10 FINIV (nicht abschliessend) als wesentliche Änderungen einzustufen sind.  Zu den wesentlichen Änderungen zählen insbesondere:

  • Änderungen der Organisations- und Gesellschafterdokumente;
  • Änderungen bei den für die Verwaltung und Geschäftsführung betrauten Personen;
  • Änderungen von Mindestkapital und Eigenmitteln, insbesondere das Unterschreiten der Mindestanforderungen;
  • Tatsachen, die geeignet sind, den guten Ruf oder die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit des Finanzinstituts oder der mit Geschäftsführungsaufgaben betrauten Personen sowie von Inhaberinnen und Inhabern einer qualifizierten Beteiligung in Frage zu stellen, namentlich die Einleitung von Strafverfahren;
  • Tatsachen, die eine umsichtige und solide Geschäftstätigkeit des Finanzinstituts aufgrund von Einflussnahmen durch Inhaberinnen und Inhaber einer qualifizierten Beteiligung in Frage stellen;
  • Auslandgeschäft (u.a. Errichtung/Erwerb/Aufgabe von Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen sowie von qualifizierten Beteiligungen an Gesellschaften im Ausland).

Dieser im Gesetz und der Verordnung aufgeführte Katalog an zwingenden Änderungen, die direkt von der FINMA bewilligt werden müssen, wurde durch publizierte Richtlinien der AO bedeutend konkretisiert und erweitert, indem explizit auch die folgenden Sachverhalte als wesentlich und damit FINMA-bewilligungspflichtig gelten sollen:

  • Neue Inhaber einer qualifizierten Beteiligung;
  • Kündigung / Änderung der Berufshaftpflichtversicherung;
  • Übertragung von Aufgaben aller Art (Einzelfallbetrachtung, ob es sich um eine Übertragung von wesentlichen Aufgaben handelt):
    • Übertragung einer Aufgabe;
    • Wechsel des Beauftragten;
    • Wechsel der beim Beauftragten für die übertragene Aufgabe verantwortlichen Person(en)
    • Wechsel der beim Bewilligungsträger verantwortlichen Person;
  • Wechsel der AO;
  • Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung nach FusG;
  • Neue qualifizierte Beteiligungen und Mandate der mit der Oberleitung oder Geschäftsführung betrauten Personen (inkl. B2- und B3-Formulare);
  • Sonstige wesentliche Änderungen von Tatsachen, die der Bewilligung zugrunde liegen.

Die Bewilligung muss gemäss Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 FINIG im Voraus von der FINMA eingeholt werden. 

Das Änderungsgesuch ist über die Erhebungs- und Gesuchsplattform (EHP) der FINMA einzureichen und entspricht im Wesentlichen dem zweistufigen Prozess des Bewilligungsverfahrens. Somit ist das Änderungsgesuch erst an die AO zu senden und deren Rückmeldung abzuwarten. Anschliessend ist die Rückmeldung der AO zusammen mit dem Bewilligungsänderungsformular über die EHP bei der FINMA einzureichen.

Die AO beschränkt sich bei ihrer Vorprüfung der bewilligungspflichtigen Änderung hauptsächlich auf die formellen Aspekte. Die materielle Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen bildet hier die Aufgabe der FINMA. Dies kann naturgemäss zu Rückfragen, Änderungswünschen oder Auflagen durch die FINMA führen, mitunter auch zu zeitlichen Verzögerungen. Abgeschlossen wird dieser Prozess mit dem Erlass einer (Feststellungs-)Verfügung der FINMA und der Ausstellung einer Gebührenrechnung, welche vom Vermögensverwalter zu bezahlen ist.

Meldepflichtige Änderungen (AO)

Ohne vorgängige Bewilligungseinholung bei der FINMA lediglich der AO zu melden, sind gemäss Art. 8 Abs. 1 FINIG, alle übrigen Änderungen von Tatsachen, welche der Bewilligung zugrunde liegen. Weitere präzisierende Ausführungen zu den meldepflichtigen Sachverhalten hat die FINMA nicht veröffentlicht. Diese Lücke haben die AO wiederum mit einem publizierten Katalog an Sachverhalten gefüllt. Demnach müssen beispielsweise folgende Änderungen vorgängig blosse der AO gemeldet werden:

  • Wegfall einer qualifiziert beteiligten Person
  • Wechsel bei der zuständigen Person für Risikomanagement / interne Kontrolle
  • Wechsel bei der zuständigen Person für Compliance
  • Errichtung / Erwerb / Aufgabe von Tochtergesellschaften sowie von qualifizierten Beteiligungen an Gesellschaften in der Schweiz
  • Mandatierung / Wechsel Prüfgesellschaft
  • Anschluss an / Wechsel der Ombudsstelle
  • Adressänderungen des Finanzinstituts
  • Erstattete Meldungen an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS), die Geschäftsbeziehungen mit bedeutenden Vermögenswerten betreffen (Art. 22a GwV-FINMA)

Das Gesetz enthält keine Vorschriften zum genauen Zeitpunkt der Meldung. Um den Aufwand sowohl für die Beaufsichtigten als auch für die Aufsichtsorganisationen nicht unnötig zu vergrössern, sollte die Meldepflicht jedoch eher restriktiv ausgelegt werden. Gemäss ständiger Praxis der FINMA muss die Meldung vor Eintritt des meldepflichtigen Sachverhaltes oder Ereignisses erfolgen. Bei Änderungen von Tatsachen, auf die der Bewilligungsträger nur einen beschränkten oder gar keinen Einfluss haben, ist die Meldung unverzüglich nach Kenntnisnahme zu erstatten.

Die Meldung erfolgt an die AO, weil diese für die laufende Aufsicht zuständig ist. Die Änderungen können den AO per E-Mail oder postalisch mitgeteilt werden. Die AO ist verpflichtet, die gemeldeten Änderungen periodisch der FINMA weiterzuleiten.

Nicht-meldepflichtige Sachverhalte

Vollständigkeitshalber haben die Aufsichtsorganisationen auch eine Liste mit Beispielen veröffentlicht, welche die nicht bewilligungs- oder meldepflichtigen Änderungen aufzeigt. Darin finden sich insbesondere Änderungen im Personal, einzelne neue Vermögensverwaltungsmandate oder sonstige Änderungen bei den Räumlichkeiten und der Infrastruktur. 

​Knackpunkte und Herausforderungen

Die Auslegung und Konkretisierung von Art. 8 FINIG durch die Aufsichtsbehörden führt in der Praxis dazu, dass nun viel mehr Änderungen als bewilligungspflichtig gelten als dem Wortlaut des FINIV (Art. 10) entnommen werden kann. So müssen beispielsweise auch eine Änderung bei den für übertragene Aufgaben (Outsourcing) zuständigen Personen oder die Kündigung und Änderung der Berufshaftpflichtversicherung von der FINMA vorgängig bewilligt werden. Im Ergebnis müssen bewilligte Vermögensverwalter tendenziell häufig und auch bei relativ geringfügigen Veränderungen oder Ereignissen immer wieder neue Bewilligungsgesuche an die FINMA einreichen und diese auch vorab der AO vorlegen.

Exemplarisch zeigt sich dies etwa bei einer durch Wohnsitzwechsel eines wichtigen Kunden ausgelösten Anpassung des geografischen Geschäftsbereichs, welche eine bewilligungspflichtige Änderung des Organisations- und Geschäftsreglements nach sich ziehen kann. Bei höher regulierten Instituten wie Banken kennt man, soweit ersichtlich, keinen vergleichbaren Detaillierungsgrad bei den Meldepflichten. Diese strenge Handhabung der Meldepflichten führt für viele Vermögensverwalter zu Verzögerungen und Zusatzkosten, zumal häufig bei relativ geringfügigen Anpassungen in der Organisation oder im Geschäftsmodell ein Änderungsgesuch notwendig ist. Ausserdem erhöhen sich ihre Compliance-Risiken im Zusammenhang mit dem Unterlassen der Bewilligungs- und Meldepflichten.

Der breit gefasste Katalog an bewilligungspflichtigen Tatbeständen führt weiter dazu, dass die FINMA quasi laufend in die Aufsicht von bereits bewilligten Instituten involviert sein wird. Die Pflicht der periodischen Meldung von Änderungen durch die AO an die FINMA nach Art. 22 Abs. 1 FINIV verliert an Bedeutung, da praktisch die meisten nennenswerten Vorgänge als wesentlich eingestuft werden und demnach direkt der Bewilligungspflicht durch die FINMA unterliegen. Es stellt sich die Frage, ob dies letztlich nicht einen Widerspruch zur ursprünglichen Intention des Gesetzgebers darstellt, wonach die FINMA nur für die Erteilung der Bewilligungen, jedoch nicht für die laufende Aufsicht der Vermögensverwalter zuständig sein soll.

Schliesslich stellen sich in der Praxis schwierige Abgrenzungsfragen. Ob ein konkretes Ereignis nun bewilligungs- oder meldepflichtig ist oder weder noch, ist nicht immer einfach zu beurteilen. Hat beispielsweise die FINMA von einem Vermögensverwalter bei der Bewilligungserteilung verlangt, dass der geographische Geschäftsbereich sehr eng gefasst wird (unter Auflistung der einzelnen bedienten Länder), kann ein Wohnsitzwechsel des Kunden bereits zu einer bewilligungspflichtigen Änderung führen. Andererseits riskiert ein Vermögensverwalter bei Unterlassen der Meldepflicht eine Beanstandung durch die Prüfgesellschaft und als Folge davon möglicherweise aufsichtsrechtliche Sanktionen. Eine vorgängige Abklärung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde, ob eine bestimmte Änderung melde- oder bewilligungspflichtig ist, drängt sich damit auf.

​Fazit und Ausblick

Vermögensverwalter sind nach Erhalt der FINIG-Bewilligung angehalten, Änderungen von Tatsachen, welche der Bewilligung zugrunde liegen oder anderweitig wesentlich sind, der AO zu melden bzw. von der FINMA vorgängig bewilligen zu lassen. Ob die aktuelle Praxis zu den Bewilligungs- und Meldepflichten in Kombination mit einem aus AO und FINMA bestehenden zweistufigen Bewilligungskaskade eine zukunftsträchtige Lösung darstellen, muss sich noch zeigen. Da zahlreiche Änderungsgesuche an die FINMA erforderlich werden, könnte sich bei vielen Vermögensverwaltern eine Art «laufende Interaktion mit der FINMA» etablieren, während die Aufsichtsorganisationen hierbei nur als Zwischenstelle fungieren. Dies dürfte – entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers - dazu führen, dass bis zu einem gewissen Grad die laufende Aufsicht über die Vermögensverwalter nicht nur durch die AO, sondern auch durch die FINMA stattfindet. Soll aber längerfristig am Grundsatz der laufenden Beaufsichtigung durch die AO festgehalten werden, wäre zu prüfen, inwiefern der Katalog an Tatsachen, welche (auch) der Zustimmung der FINMA bedürfen, sowohl auf Stufe Gesetzgebung als auch in der praktischen Anwendung zugunsten der AO reduziert werden kann.